Blick vom Älpele bei Frastanz Richtung Norden auf das obere Vorarlberger Rheintal zwischen Feldkirch und dem Kummenberg

Wirtschaft fordert Umweltopfer nach Landtagswahl

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Mit der Ankündigung einer Schwarz-Blauen Landesregierung in Vorarlberg mehren sich die ersten Signale, dass die Interessen der Wirtschaft auf Konfrontationskurs mit dem Umweltschutz stehen. Ein besonders umstrittenes Thema ist die Landesgrünzone – eine in den 1970er Jahren festgelegte Zone, die wertvolle Naturräume und Erholungsflächen schützt. Doch nun fordert die Wirtschaftskammer eine „Weiterentwicklung“ dieser Zonen hin zu einer „Landesentwicklungszone“. Die Begründung: Der wirtschaftliche Entwicklungsdruck erfordere eine stärkere Nutzung der bestehenden Flächen.

Diese Forderung zeigt ein opportunistisches Vorgehen der Vorarlberger Wirtschaft und birgt das Risiko, dass Umweltinteressen geopfert werden. Bereits jetzt verzeichnen wir in Vorarlberg eine der höchsten Versiegelungsraten innerhalb Österreichs, und während andere Bundesländer sich gegen zunehmenden Bodenverbrauch stemmen, scheint Vorarlberg mit einer neu formierten Regierung in die entgegengesetzte Richtung zu marschieren.

Naturflächen für die Wirtschaft opfern?

Die Landesgrünzone ist weit mehr als ein Stück ungenutztes Land – sie ist ein Naturjuwel und eine essenzielle „grüne Lunge“ für das Rheintal. Der Wert dieser Zonen für die Naherholung, die Artenvielfalt und das Klima ist enorm. Doch die Wirtschaftskammer sieht hier scheinbar ungenutztes Potenzial, das sie im Interesse einer „Entbürokratisierung“ und „Entwicklung“ umwidmen möchte. Man fordert weniger strenge Vorgaben und eine massive Vereinfachung der Genehmigungsverfahren, um der Wirtschaft „Luft zum Atmen“ zu geben.

Einige Stimmen, vor allem aus der neuen Oppositionspartei Die Grünen, werfen der Wirtschaft vor, die Umweltkosten schlichtweg zu ignorieren und die langfristigen Auswirkungen auf die Region zu unterschätzen. Die Natur und die Lebensqualität der Bevölkerung scheinen zugunsten kurzfristiger ökonomischer Interessen in den Hintergrund zu treten.

Während in Wolfurt im Ried längst die Feldhasen über die stetig wachsenden versiegelten Parkplätze und Lagerflächen der Firmen Meusburger, Doppelmayr und Haberkorn hoppeln – mangels Lebensraum – stehen anderswo tausende Quadratmeter große Fabrikshallen leer. Eine effektive Leerstandsabgabe, zumal auf Industrie- und Gewerbegebiet, scheint im von Wirtschaftsinteressenen dominierten Ländle unwahrscheinlich.

Wohnraum – Ein unbezahlbares Grundrecht

Ein weiteres drängendes Problem, das in engem Zusammenhang mit der Flächenversiegelung steht, ist die unaufhaltsame Verteuerung des Wohnraums. Vorarlberg ist bereits eines der teuersten Pflaster für Immobilien in Österreich, und eine weitere Versiegelung würde den Preisdruck auf den verbleibenden bewohnbaren Raum nur erhöhen. Günstiger Wohnraum ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern ein unbezahlbares Grundrecht, dessen Verwirklichung durch eine ausgewogene Raumplanung und den Schutz der Natur gestützt werden muss.

Vorarlberg: Wohnen, das unbezahlbare Grundrecht

Anstatt jedoch der Forderung der Wirtschaftskammer nachzugeben und immer mehr Naturflächen für die Bebauung zu opfern, sollten alternative Lösungen in Betracht gezogen werden. Eine bessere Nutzung bereits bestehender Baureserven und die Entwicklung nachhaltiger Baukonzepte könnten hier der Schlüssel sein.

Umwelt- und Wirtschaftspolitik – Wohin geht die Reise?

Während die Wirtschaft auf „Entbürokratisierung“ und weniger Umweltauflagen drängt, zeigt sich eine zunehmend kritische Haltung gegenüber den Interessen der Großunternehmen. Die Grünen, die zukünftig in der Opposition sitzen, bezeichnen die Forderungen der Wirtschaftskammer als unverhohlene Versuche, die Schutzmaßnahmen der letzten Jahrzehnte zu untergraben. Kritiker warnen davor, dass diese Regierungspolitik vor allem Großunternehmen Vorteile verschaffen könnte, während langfristige Interessen der Bevölkerung und der Natur ignoriert werden.

Die neue Landesregierung steht an einem Scheideweg. Eine nachhaltige Raumplanung, die Naturschutz und wirtschaftliche Entwicklung in Einklang bringt, ist zweifellos eine Herausforderung. Doch in einer Zeit, in der Umwelt- und Klimafragen immer dringender werden, wäre eine rein wirtschaftsorientierte Politik ein gefährlicher Rückschritt.

Vorarl.blog bleibt unabhängig und kritisch. Wir werden weiterhin darauf achten, dass Umwelt- und Naturschutz keine Lippenbekenntnisse bleiben und uns gegen eine kurzsichtige Entwicklungspolitik positionieren.

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